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Panikattacken bei der Berufungsbegründung

Leidet der Prozessbevollmächtigte an einer Krankheit, die sporadisch und plötzlich zu akuten Erkrankungszuständen führt, muss er im allgemeinen damit rechnen, dass die plötzlichen Erkrankungszustände erneut auftreten können; er ist deshalb verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, dass im Falle seiner Erkrankung ein Vertreter die notwendigen Prozesshandlungen vornimmt.

Im hier entschiedenen Fall wurde die Seite der Berufungsbegründung wurde am Tage des Fristablaufs ab 23:52 Uhr übermittelt, die die Unterschrift tragende Seite erst am Folgetag um 0:00 Uhr und die letzte Seite der Anlage erst am Folgetag um 0:02 Uhr gesendet. Empfangen wurde das Telefax am Folgetag um 0:03 Uhr. Daraufhin beantragte die Klägerin Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist. Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrags führte die Klägerin aus, dass ihre Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz am Tag des Fristablaufs gegen 21:00 Uhr fertiggestellt und ausgedruckt habe, sodann aber einen durch Panikattacken oder Hyperventilationsanfälle ausgelösten körperlichen Zusammenbruch erlitten habe. Dieser habe zu einer bis nach 23:00 Uhr andauernden vollständigen Handlungsunfähigkeit geführt.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung der Klägerin verworfen. Der Bundesgerichtshof bestätigte dies nun:

Ein Rechtsanwalt muss Vorkehrungen treffen, damit das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn der Rechtsanwalt unvorhergesehen ausfällt. Danach schließt die Krankheit eines Prozessbevollmächtigten das Verschulden an einer Versäumung einer Frist nur dann aus, wenn die Erkrankung für den Prozessbevollmächtigten nicht vorhersehbar war.

Eine Fristversäumung aufgrund einer Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist nur dann unvermeidbar, wenn die Krankheit plötzlich eintritt und unvorhersehbar war oder wenn sie soschwer ist, dass der Erkrankte zur Fristwahrung außerstande war.

Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt insoweit durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, als er einen solchen Ausfall vorhersehen kann. Leidet der Prozessbevollmächtigte an einer Krankheit, die sporadisch und plötzlich zu akuten Erkrankungszuständen führt, muss er im allgemeinen damit rechnen, dass die plötzlichen Erkrankungszustände erneut auftreten können; er ist deshalb verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, dass im Falle seiner Erkrankung ein Vertreter die notwendigen Prozesshandlungen vornimmt.

So hätte im hier entschiedenen Fall die Prozessbevollmächtigte nach der Art der ihr seit fast fünf Jahren bekannten Krankheit geeignete Vorkehrungen hätte treffen müssen, um bei einer plötzlich auftretenden Panikattacke gerade in den Abendstunden sicherzustellen, dass fristgebundene Arbeiten abgewickelt werden konnten.

Diese Anforderung überspannt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch nicht die Sorgfaltsanforderungen an die Rechtsanwältin, da sie geeignete Vorsorgemaßnahmen nur für gerade in den Abendstunden auftretende plötzliche Panikattacken treffen musste.

Soweit die Prozessbevollmächtigte meint, das Berufungsgericht habe ein Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand der Anwältin einholen müssen, verkennt sie, dass der Antragsteller das fehlende Verschulden glaubhaft zu machen hat (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und insoweit gemäß § 294 Abs. 2 ZPO auf präsente Beweismittel beschränkt ist. Ein vom Gericht erst einzuholendes Sachverständigengutachten über den gesundheitlichen Zustand der Anwältin zählt hierzu nicht. Es wäre Sache der Anwältin gewesen, einen Entschuldigungsgrund etwa durch ein ärztliches Attest glaubhaft zu machen.

Soweit die Anwältin vorliegend behauptet, es sei im Januar 2014 nicht mehr mit Anfällen zu rechnen gewesen, widerspricht dies dem eigenen Vortrag der Klägerin in ihrem Wiedereinsetzungsantrag, wonach zwar die Häufigkeit der Anfälle deutlich zurückgegangen sei, diese allerdings nicht auszuschließen seien. Aus der eidesstattlichen Versicherung des Ehemanns der Klägerin ergibt sich allein, dass sich die Abstände zwischen den akuten Anfällen vergrößert haben. Selbst in ihrer ergänzenden Stellungnahme hat die Klägerin lediglich behauptet, dass es seit Mitte/Ende 2011 zu keinem so akuten Zusammenbruch mehr gekommen sei, der die ansonsten aufgetretenen Auswirkungen und die Handlungsunfähigkeit der Klägerin auslöste. Das durfte das Berufungsgericht vor dem Hintergrund der weiter erfolgenden, regelmäßigen Behandlungen und der Medikation ohne Rechtsfehler so verstehen, dass es auch in den Jahren 2012 und 2013 zu Panikattacken gekommen ist, die lediglich in ihren Auswirkungen hinter den vorherigen zurückblieben.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – IX ZB 12/14

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